Marian Williams – blog:kaatibun movies and more

April 11, 2010

4 Artikel zum Tourismus – ITB Berlin 2010

Thomas-Morus-Akademie Bensberg
Hier 4 kurze Artikel von mir, entstanden auf der ITB Berlin, der weltgrößten Tourismus-Messe, die vom 10. bis 14. März 2010 stattgefunden hat. Themen waren die Veranstaltungen und Ereignisse auf der Messe bzw. die Tourismus-Destinationen vulgo Länder, die sich dort vorgestellt haben.
Die Artikel wurden im Rahmen des young press Journalismus-Workshops geschrieben (mit Hilfe & Feedback von professionellen Journalisten) und auf dem Blog der Thomas-Morus-Akademie als Information für Fach-Journalisten und Besucher publiziert. Dort sind auch die vielen interessanten Artikel der anderen Teilnehmer abrufbar.

Marokko und Dubai‎ zwischen „Orient“ und „Konsum“

Vergleich zwischen den völlig unterschiedlichen brand identities der beiden Tourismus-Länder. Nicht jedes Land, das als Teil des „Orients“ gehandelt wird, bedient sich auch vorrangig dieses labels – Edward Said lässt grüßen.
[10.März]

All Inclusive im Allgäu

Bericht über ein neues Konzept des netten Tourismus-Dorfes Bad Hindelang im Allgäu (das ich ja persönlich recht gut kenne…), bei dem für die Gäste mit der Quartier-Buchung sämtliche Tourismus-Angebote gratis inkludiert sind.
[11. März]

Wandern macht glücklich

Bericht über zwei auf der ITB präsentierte Wander-Studien, eine große, deutschlandweite und eine des Austria Marketing, die beide das Wandern als einen der Zukunfts-Märkte des Tourismus propagieren.
[12. März]

Eine Reise Von Istanbul nach Hakkâri

Bericht über die von der Robert-Bosch-Stiftung initiierte Buch-Reihe „Die Türkische Bibliothek“ des Schweizer Unionsverlags. Klassiker der Türkische Literatur des 20. Jahrhunderts neu oder erstmals übersetzt und sehr aufwändig herausgegeben – eine literarische Reise.
[13. März]

Februar 13, 2010

Wueste – Mythos & LebensRaum

Filed under: Travel — Marian W @ 19:33

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Berichte ueber fremde Raeume seien stets eine „Lektion ueber das Denken im eigenen Raum.“  (1)

Dieses Motto jedes Reisetextes gilt umso mehr, wenn der Raum ein so (scheinbar) „leerer“ ist wie die Wueste. Waehrend wir durch die „Sahara as-Sauda“ fahren, rufe ich mir die romantischen Erzaehlungen und Bilder von „der Wueste“ in Erinnerung. Auch wenn die Schwarze Wueste hier westlich des Nils auf aegyptischen B0den nicht die klassische Sahara (was eigentlich nur das arabische Wort fuer Wueste, fuer jede auf der ganzen Welt, ist), so verbindet sich der maechtige Mythos Wueste doch sofort mit dieser vulkanischen Landschaft links und rechts der Strasse, auf der wir mit unseren fuenf Jeeps unterwegs nach Sueden sind und die, wenn man ihr lange genug folgt bis in den Sudan, der ehemaligen Provinz Aegyptens fuehrt.

Eine schwarze Schicht, bedeckt, wie „Asche-Schnee“ die bekannten ockerfarbenen Duenen und Berge. In einem Wuestenroman wuerde es jetzt heissen: „Und mit jedem Schritt des Kamels liess er ein Stueck Zivilisation zurueck und fuegte sich ein in die Zeitlosigkeit der unendlichen Sahara.“ Doch wir waren eine moderne Karawane mit Jeeps, und auch wenn deren Fahrer Beduinen waren, war dies doch mehr ein Erlebnisurlaub denn ein wirkliches Abenteuer wie in den Buechern und Filmen.

Die Luft ist vom Horizont bis zum Zenit grau, schwer vom Staub, den der Khamsin aus dem Osten bringt, der dem Blick eine Grenze setzt und doch die Weite nach allen Seiten suggeriert. Der postmoderne Tourist flieht vor der „Beschleunigungs-Gesellschaft“ und den kontingenten Patchwork-Identitaeten, die sie bietet, in die Abgeschiedenheit. Im scheinbar nicht nur menschenleeren, sondern ganz und gar auch leblosen Raum loest sich seine ueberregulierte Kultur- & Zeit-Struktur auf. Auch wir, die wir fuer einen Tag und eine Nacht, diese Flucht antreten, suchen wie die Mehrheit der Wuesten-Touristen das Naturerlebnis (und nicht primaer den Kulturkontakt).

Bald wuerden wir im“garden under the moon camp“ ankommen, teilte uns Mahmoud, unserer Fahrer, mit. Es lag inmitten des neugegruendeten Nationalpark der Weissen Wueste, der as-sahara al beida. Wir beobachteten den Uebergang von Schwarz zu Weiss; noch war das Erlebnis rein visuell, wenn man von der Hitze des Nachmittags im Auto absah. Doch ein Wuestentrip wie dieser war einer der wenigen Reiseeindruecke, die sich nicht nur auf die „Augenlust“ stuetzten; es war ein synethetisches Erlebnis und wirkte damit auch direkt emotional an den visuellen Distanzierungen des touristischen (fotografischen) Blicks vorbei. Das sollten wir in dieser Nacht auch deutlich spueren: Die, die noch nicht geglaubt hatten, wie gross der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht hier in der Wueste werden kann, merkten es bald. Davor wurde jedoch noch der kulinarische Sinn befriedigt und ein Abendessen unter dem „bestirnten Wuestenhimmel ueber uns“ bereitet.

Mahmoud, der Fahrer unseres Jeeps, hat ein Jura-Studium in Kairo abgeschlossen, nur auf Wunsch des Vaters, wie er betont. Danach sei er wieder in die Wueste zurueckgekehrt; nicht, weil er hier mehr verdient und einen Arbeitsplatz hat (die inoffizielle Akademiker-Arbeitslosenquote liegt bei 80%.) Er fuehrt auch laengere Touren durch die Lybische Wueste (die Westliche Wueste, wie sie hier heisst), Wochentouren mit Jeep oder Kamelen bis ganz in den Sueden bis zum Sudan (dort allerdings mit Militaerbegleitung).

Der Sonnenaufgang ist um 6:30    –  eine Stunde spaeter ist es schon wieder deutlich waermer, und zwei Stunden spaeter so heiss, wie man es als unbedarfter Tourist von der Wueste erwartet, doch da sind wir schon lange wieder auf dem Weg zurueck zur Oase al- Bahariya und weiter nach Kairo.

(1) Woehler 1998 nach Friedl 2006.

Februar 5, 2010

Zerstört der Tourist, was er sucht, indem er es findet!?

Filed under: Travel — Marian W @ 15:43
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Impressionen eines sight-seeing bus trips durch Marokko

1. Tag: von ad-Dār al-Bayḍā کازابلانکا bis ar-Rabāṭ الرباط

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Der Tourist, der keiner sein wollte, schaute beschämt zu Boden, unfähig einem Marokkaner, oder einer Marokkanerinnen, in die Augen zu schauen. Er wollte ihnen so gerne auf Augenhöhe begegnen und merkte doch, dass es nicht möglich war – nicht jetzt, nicht hier, nicht auf diese Weise. Sie konnten nur zu ihm aufschauen, d.h. zu seinem Geld, und gleichzeitig hinab auf diese einzige, hilflose touristische Überlegenheit.

Als er durch die Umgebung des Hotels schlenderte, wurde ihm die Rolle, die er hier in der Fremde spielte (zu spielen hatte, musste und nicht anders konnte) noch klarer, als schon tagsüber. Bus 1, Reihe 7, Sitz 25 – das war sein Platz; von dort aus konnte er seine Augen frei bewegen, geschützt durch eine Glasscheibe wie im Zoo; nur die sich ihm aufdrängende, an ihn drängende Frage: auf welcher Seite befand er sich er? Wer war hier das exotische Exponat?
Es gibt Menschen, die haben 2 swimming pools. Es gibt Menschen, die haben nichts als ihre Zufriedenheit„, sagte der Reiseleiter. Doch waren der Tourist und sein Geld Entwicklungs-Helfer oder Komplizen im Übergang zwischen den beiden? Und konnte man sich solche Glücks-Versprechungen universell denken ohne zum Kolonisator zu werden oder in Exotismus zu verfallen?
Er hatte immer gedacht, Stolz sei etwas überflüssiges, ein entbehrliches psychisches Konstrukt. Doch wenn man sonst nichts hat, bekommt dieser abstrakt-leere Begriff Stolz eine edle Färbung, und es tat dem Touristen weh, wenn er sah, wie sie das, was man einem Menschen angeblich nicht stehlen kann, seinetwegen, pathetisch gesprochen,verrieten“, d.h. verkauften, eintauschten gegen…gegen was eigentlich? Ein solches pathetisches Lamento ging dem Touristen durch den Kopf; er, der sich auch in der Fremde keinen Stolz auf seine Herkunft, also keine positive Heimat-Vorstellung erlaubte, freute sich über die kleinen Authentizitäten (oder das was er dafür halten konnte) zwischen den zwei Extremen der unterwerfenden Anpassung: Nachahmung oder Erfüllung der Klischees. Beide hatte er erwartet und beide hatte er heute schon beobachtet:

Die Industrie-Viertel von Casablanca – ad-Dār al-Bayḍā کازابلانکا (eine Lehn-Übersetzung aus dem Portugiesischen) – standen dem durch die Magie des Kinos erzeugten Klischee des gleichnamigen Films diametral gegenüber. MAN, SUZUKI & LEXUS im Casablanca Techno Park und mittendrin das Café Rick: wohl eher Imitation als Vorlage [nach der Rückkehr keine Überraschung: „Opened March 1, 2004, the place was designed to recreate the bar made famous by … the movie classic Casablanca. (…) finally bringing the legendary “Gin Joint” of cinema fame to life in today’s Casablanca„, weiß sogar Wikipedia.]

Die vielen Autos vor ماكدونالدز (McDonald’s) stimmten ihn traurig; nicht weil er fand, dass die Besitzer hier falsch seien, sondern weil ihn für einen Moment die Vorstellung befiel, dass er nur hier Einheimische finden würde, die ihrerseits auf der Suche waren und sich im Amerikanischen Traum zu finden glaubten, während seine Suche ihn nur in die vorgefertigten Repräsentationen führen würde, die er so unbedingt meiden wollte. Doch im Alltag löste sich dieser Gegensatz im Nichts auf – Identität konstruiert sich erst, wenn man sie zu erfassen sucht; sie ist nur im Gegensatz zu einer anderen wirklich, könnte man sagen; für den Touristen ein beruhigender, befreiender Relativismus.

Maakdounaaldz

Die Einheitlichkeit einer kulturellen Identität verlor sich zwischen zwei Polen: Auf der einen Seite die (als kulturelle Überformung wahrgenommenen) كوكا كولا (Coca Cola) & بيبسي (Pepsi) -Plakate in arabischen Lettern & Werbungen für den LG Scarlet LCD flat screen; auf der anderen die scheinbar nicht-kultivierte („reine“,“unverfälschte“, „echte„, „natürliche„) Welt aus dem Reise-Prospekt, mit dem Label Orient versehen, mit bunten Blumen-Feldern (noch üppiger als erwartet, in Orange & Gelb) & unzähligen Palmen. In diesem 2. Konzept waren die Menschen nur Objekte, waren auf eine fast paradiesische Art Teil ihrer Umwelt, Teil der Natur – und befriedigten damit eine der grundlegenden Sehnsüchte des Touristen: den rousseau’schen Mythos des back to nature, der Einheit mit der Welt; für eine Woche dabei zuzusehen, dafür lohnte es sich die „Strapazen“ einer „Kultur-Reise“ auf sich zu nehmen. Die Störche als tierische Nomaden waren dabei das natürliche Äquivalent zum menschlichen Touristen und erklärten seine Grenzziehungen und seinen Exotismus für lächerlich.

Doch auch der Politik in der Retrospektive der Historie konnte unter dem architektonischen Stil-Mantel heute keine Abgrenzung gelingen: Die changing of the guards Zeremonie vor den verschwenderisch-großen Palästen birgt überall den gleichen Gegensatz zu den Hütten , die der Tourist vom Flugzeug – aus der Storch-Perspektive – inmitten grüner Felder sah.

Gern hätte sich der Tourist in der مدينة (Medina) von Rabat verlaufen, doch blieb ihm keine Zei, die ausgetretene Hauptstraße zu verlassen und weiter in die Ruhe der Seitengassen zwischen den blauen Häusern einzutauchen. So blieb ihm nur die Ahnung (oder Illusion), dass hinter der Fassade der shops, wenn schon keine Wahrheit, so wenigstens die Möglichkeit wartete, sich beim Verirren für den Moment selbst zu finden; und die Demut, den jungen Wilden“ auf ihren Mopeds Platz zu machen auf ihrer Straße – und die Scham, wenn er seinen Kodak moment hinter sich gebracht hatte.

Die Hup-Konzerte der Nacht drangen in sein Ohr und ließen ihn Lebendigkeit spüren.


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2. Tag: von ar-Rabāṭ الرباط bis Fās ‏فاس‎

Der Tourist, der keiner sein wollte, drückte auf den Auslöser. Wieder und wieder, solange bis er sein Motiv in eine ästhetische 2-Dimensionalität umgewandelt hatte. Er fragte sich, wie Reisen ohne Fotografie sich wohl anfühlt.

„Foto-Stop“ war für ihn heute zum Reizwort geworden. 3 Mal war Bus 1 heute zu diesem Zwecke von seinem Fahrer Muhammad angehalten worden; jeweils 5 min. an einem „Aussichts-Punkt“ für Panorama-Fotos. Die Freiheit des Blicks erschöpfte sich in der Brennweite des Objektivs, 18-55 Millimeter Freiheit jeweils vor und hinter dem Bus. (Aber das war allemal besser als die 8 Millimeter einer Waffe, die frühere Generationen bei ihren Reisen mitnahmen. Die Haltung ist allerdings ähnlich, wie Susan Sontag bemerkt hat; Wildtier-Safari oder Foto-Safari, nur eine weniger tödliche Form der Macht-Demonstration.)

Die Überschwemmungen seien doch aber auch schön anzuschauen, bemerkte 2 Reihen weiter hinten jemand, wie als ob die Natur gar nicht hässlich sein könne und der ästhetische Wert allgemeingültig und der einzig-wahre sei.

Während er aus dem Bus schaute, der mittlerweile wieder mit allen Insassen befüllt worden war, fiel ihm das Nacht-Programm eines TV-Senders zu Hause ein: „Deutschlands schönste Bahnstrecken“, Zugfahrten aus der Ego-Perspektive, ungeschnitten, um die unsägliche Lücke zwischen der letzten und der ersten Sendung zu füllen – auch eine Form des Reisens.

Der Tourismus war in seinen Augen generell durch Segmentierung, Neu-Proportionierung und Filterung des Präsentierten gekennzeichnet; aber wieviel Fiktion braucht es eigentlich für manche, um die Fiktionalisierung zu bemerken?

T. kamen auch Fragen in den Sinn über die Vermittler, ihre Intentionen und ihre Macht und Möglichkeiten in diesem Diskurs um die Repräsentation eines Landes, eines Volks – während er auf der Hauptstraße von Moulay Idriss, dem 12 000 Einwohner Wallfahrt-Ort (nicht nur für touristische Wallfahrten) zwischen Meknès und Fes, Richtung Bus eilte und die Seitengassen wehmütig mit seinen Augen entlangging. Hier war der synästhetische Eindruck durch Obst-, Fleisch- & Knoblauch-Geruch ergänzt worden und hätte er statt seinem Basecap eine Tarnkappe getragen, er hätte den Weg durch die Verkaufsstraßen sehr genossen. Es heißt ja, dass Gerüche im Unterschied zu anderen Sinnes-Eindrücken direkt vom Gefühls-Zentrum des Gehirns aufgenommen werden, vielleicht war ja das die Möglichkeit einer wahren Empfindung: Die olfaktorische Authentizität als die einzig mögliche.

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